Beidseitige Armschmerzen

Datum: 14.03.2019
Name: Andreas
Ort: Berlin

Ich bin 39 Jahre alt, Büroangestellter, arbeite seit 20 Jahren beruflich mit PC`s und benutze seit 8 Jahren Smartphones. Im April 2018 bemerkte ich ein über Wochen immer stärkeres Ziehen in beiden Unterarmen, was Ende April 2018 eskalierte: Von einem Tag auf den anderen konnte ich weder mit links noch mit rechts Maus, Tastatur oder Handy benutzen. In den Wochen zuvor hatte ich insbesondere viel mit dem Smartphone hantiert. In den nächsten Tagen wurde es noch schlimmer: Mittlerweile konnte ich mit meinen Armen überhaupt nichts mehr machen. Mein Kind war zu diesem Zeitpunkt 6 Monate alt; das war für mich die größte Katastrophe: den Kleinen nicht mehr hochheben zu können. Ich konnte (natürlich) auch kein Krafttraining mehr ausüben, nicht staubsaugen, nichts tragen, nichts heben, mich nicht in den Familienalltag einbringen und verfiel in den nächsten Wochen auch psychisch zu einem Schatte meiner selbst. Es war der blanke Horror und ähnelte extrem Clemens Geschichte. Ich musste mich vom Orthopäden krank schreiben lassen, der erst eine Sehnenscheidentzündung beidseitig vermutete, mir aber ansonsten auch nicht weiterhelfen konnte. Für mich begann ein Ärztehopping, welches seines gleichen sucht. Ich konsultierte mehrere Orthopäden, man steckte mich in mehrere MRT`s, ich ging sofort zu meinem Osteopathen. Nach ca. 3-4 Wochen, es war inzwischen Ende Mai, bestellte mir meine Lebenspartnerin das Buch RSI-Syndrom. Sie hatte bis dahin auch viel im Internet über meine Probleme eruiert (Ich konnte es ja nicht!). Von diesem Tag an war dieses Buch mein täglicher Begleiter. Es gab mir Hoffnung und ich begann sofort mit allen Empfehlungen.

Inzwischen war ich bei drei Orthopäden, zwei Neurologen, zwei Neurochirurgen. Ich nahm wöchentlich 2x Akkupunktur und Physiotherapie in Anspruch, letztere bestand größtenteils aus heftiger Querfriktionsmassage, da ich auch unter starken Verspannungen des Schulter- und Nackenbereiches litt. Doch die Schmerzen bei den kleinsten Belastungen der Arme/Unterarme/Hände/Finger blieben. Mittlerweile war Juni und seit Beginn des Monats absolvierte ich täglich 3x Dehnübungen, ging Joggen, Schwimmen und auch zum Krafttraining, ohne natürlich die Arme zu benutzen. Meine Psyche litt extrem, da ich nicht wusste was ich hatte und mir schleierhaft war, wie das weitergehen sollte. So ging es weiter die nächsten Wochen. Mindestens 3 Monate änderte sich das Schmerzlevel kein Stück. Selbst das Lenken beim Autofahren, schon die leicht angewinkelte Position der Arme, wie man ein Lenkrad hält, verursachte Schmerzen.

Inzwischen bezog ich Krankengeld, und im Juli 2018 war meine Krankenkasse der Meinung, das Krankengeld streichen zu wollen, da ich in ihrer Augen wieder gesund sei. Dieser Brief verschlimmerte meine Schmerzen erneut, wodurch auch ein Zusammenhang mit der Psyche und den Schmerzen bewiesen war. Wutentbrannt besuchte ich die Geschäftsstelle der Krankenkasse, um einen Widerspruch zu diktieren. Nachdem mein ratloser Orthopäde angeblich erhöhte Rheuma-Marker im Blut gefunden hatte, schrieb er mir eine Überweisung in eine Rheumaklinik - völliger Quatsch, wie ich später erfuhr, doch zumindest veranlasste dies meine Krankenkasse, die Krankengeldzahlung wieder aufzunehmen. Im September 2018 verbrachte ich doch tatsächlich eine Woche in einer Rheuma-Klinik. Ich wurde erneut auf den Kopf gestellt: Ausführlichstes Ultraschall vom Oberarzt von Armen, Gelenken und Organen, Röntgen, Blutuntersuchungen. Der Chefarzt reagierte gereizt, als ich ihm erklären musste, was RSI bedeutet. Wie schon alle anderen Ärzte zuvor übrigens auch. Einzig und allein mein Gastroenterologe, ausgerechnet, wies von sich aus auf die RSI-Krankheit hin, ohne dass ich diesen Begriff zuvor erwähnte. Bei ihm bin ich schon lange wegen anderer Probleme in Behandlung und halte sehr viel von ihm, auch und besonders in empathischer Hinsicht.

Nach der Rheuma-Klinik stand im September eine schon länger geplante Autofahrt mit der Familie nach Westdeutschland an; ich machte mir große Sorgen, da ich unmöglich meine Frau die ganze Zeit fahren lassen konnte. Also probierte ich es, und siehe da, zum ersten Mal verspürte ich so etwas wie eine Veränderung in meinen Armen: Um so länger ich das Lenkrad hielt, um so weniger taten die Arme weh! Auf den ersten 80 km schmerzte es unaufhörlich, dann fuhr ich 200, 300 km und spürte die Schmerzen immer weniger. Der erste Lichtblick überhaupt!

Im Oktober verbrachte ich drei Wochen in einer Reha-Tagesklinik für Orthopädie. Ganz allmählich ließen die großen Probleme mit meinen Armen da. Belasten konnte ich sie wieder, vor allem mein Baby auf den Arm nehmen! Schwierig war weiterhin das Bedienen von Maus, Tastatur und Handy. Mitte November ging ich wieder arbeiten. Es war hart, doch mit viel (Maus)Pausen und Dehnübungen meisterte ich die ersten Wochen. Es wurde immer besser.

Was kann ich raten? Die Kombination aus kontinuierlichen Dehnübungen, Sport, extrem viel Querfriktionsmassagen und ganz einfach Zeit linderten meine Beschwerden immer mehr. Heute, im März 2019, tippe ich diese Zeilen auf dem "Microsoft Natural Ergonomic Keyboard 4000" fast schmerzfrei. Aber ich muss regelmäßig weiter Dehnübungen machen. Gerade das Halten der Maus verursacht immer noch händelbare Schmerzen. Weiterhin kann ich nur empfehlen, den privaten Handy-Konsum extrem einzuschränken. Es zerstört nicht nur die Finger- und Armsehnen, sondern hat bei mir über die Jahre wahrscheinlich auch den vorhandenen Halswirbelbandscheibenvorfall verursacht, und zwar durch das Überstrecken des Kopfes nach vorne. Dieser ist zwar verwachsen und war nach Meinung der verschiedensten Ärzte unabhängig voneinander nicht Verursacher für die Probleme mit den Armen und Händen. Doch heute nutze ich das Smartphone nur noch selten, in Gegenwart meines Kleinen überhaupt nicht. Geholfen hat mir letztendlich kein einziger Arzt, geholfen habe ich mir letztendlich selbst, mit Unterstützung des Buches "RSI-Syndrom". Geholfen haben mir außerdem mein Physiotherapeut und meine Frau.


Weitere Erfahrungsberichte

Dieser veröffentlichte Bericht gibt die Erfahrungen des Autors wieder. Da das Repetitive Strain Injury Syndrom eine Sammelbezeichnung für meist durch wiederholte Tätigkeiten verursachte Schmerzen in Muskeln, Sehnen und Nerven ist, kann die Ausprägung (insbesondere in der ersten Schmerzphase) bei jedem Betroffenen unterschiedlich ausfallen. Auch wenn Ihre Symptome ähnlich sind, kann die Ursache eine völlig andere sein! Alle vorgeschlagenen Maßnahmen müssen deshalb unbedingt mit einem Arzt oder Physiotherapeuten besprochen werden.
Der Inhalt dieser Webseite ist auch als Buch erhältlich: RSI-Syndrom, Mausarm, Tennisarm | Kostenlose Rezensionsexemplare verfügbar